Kapitel 27, den 23.05.2025, Fotografieren ist verboten

Es ist noch Ebbe, aber Wasser steigt


Heute morgen die „Wer-zuerst-duscht“- Frage ist  zur vollen Zufriedenheit für uns beiden abgelaufen. Morgens ging ich mit dem Hund raus. Sie muss Gassi gehen und ich möchte nochmal die Umgebung anschauen, letzte Fotos machen. Am Morgen ist die Natur und der See ganz anders als nachmittags oder abends. Alles, zumindest heute, ist sehr ruhig und still.

Wir gehen gemeinsam auf dem Strand. Schilka wirkt eindeutig unzufrieden, widerwillig trottet sie hinterher. Denn wir sind mit einer Leine gebunden wie die Alpinisten beim Bergsteigen. Sie mag lieber stabilen Boden unter den Füßen, am besten auf dem frischgemähten Gras laufen und nicht auf dem knisternden von zermalmten Muscheln und unüberwindbaren Steinen bedeckten Boden. 

 Wasserkreise

 

Ich kann gut beobachten, wie das Wasser steigt. Insbesondere an einer seichten Stelle. Dort sprudelt aus für das Auge unsichtbaren Löchern Luft raus und erzeugt kreisförmig verlaufende Wellen. Sehr interessant, zu beobachten. Man hat das Gefühl, das dort jemand lebt. Vielleicht lebt ja dort auch der eine oder andere? Denn bei Ebbe verstecken sich die Wassertiere im Boden, wer es nicht geschafft hat, dem machen die Möwen, Austernfischer den Garaus. Woher kommt diese Redewendung?  Hier ist eine Geschichte, die es erklärt: 

Katz und Maus in einem Haus

Garaus heißt so viel wie "vollständig zu Ende bringen". Vielleicht kennen Sie das Märchen von der Katze und der Maus, die zusammen ein Schmalztöpfchen haben. Die Katze muss immer wieder Gevatter stehen, also Taufpate sein, und sagt, das erste Kind hätte den Namen "Haut ab" bekommen; da hatte sie nämlich vom gemeinsam in der Kirche versteckten Schmalztöpfchen schon mal heimlich die Haut abgefressen. Das zweite Kind sollte "Halb aus" heißen; da hatte sie die Hälfte des Schmalztöpfchens gefressen. Und das dritte Kind heißt "Gar aus". – Da war es vollständig zu Ende.

Jemandem den Garaus machen heißt, sein Leben zu einem Ende bringen.


Amüsant, nur nicht für lebende Meeresbewohner, die in die Schnäbeln der Möwen oder Austernfischern ihr Leben aushauchen. 

Während Ebbe sind rege Aktivitäten am Strand


Gestern noch wollten wir hier noch ein Tag bleiben, heute werden diese Pläne über den Bord geschmissen. Unser Grauwassertank ist zu 3/4 voll, wir müssen dringend entsorgen!!! Das bedeutet, wir müssen los. Das ist das Schicksal aller „Wohnmobilisten“ — auf der Route auch die Fahrten zu  Entsorgungsstationen einzuplanen. Gesegnet ist der, wenn der Stellplatz mit diesem Service ausgestattet ist. Dann ist das Campen viel entspannter. 

Einfach nur zum Knuddeln…☺️


Wir putzen alles und bereiten uns für die Abfahrt vor. Doch wir kommen noch nicht weg. Wir entscheiden uns noch unserem Hund einen Waschgang zu verpassen. Torsten holt in einer Plastikwanne warmes Wasser, ich wasche sie gründlich mit Shampoo und Condition für Hundehaar. Dann wird sie gebürstet und gestriegelt, geföhnt und gekämmt. Auch ihr Pony muss gekürzt sein. Sie sieht gut aus, aber ist jetzt ein wenig gestresst. Und als wir starten, schläft sie in meinen Armen ein. Aber es kann nicht lange dauern, sie muss ins ihr Körbchen, ich brauche meine Hände, um Fotos zu machen. Das wird mir noch heute zum Verhängnis.

Nur noch einmal Gassi gehen


Heute kann ich schlecht filmen und Fotos machen, denn das beste ist auf der Fahrerseite zu sehen und ich kann keine vernünftige Aufnahmen machen. Um so grösser ist meine Freude, als Torsten an der Tankstelle einen Stopp macht und ich kann endlich die schöne Bucht von Sortland filmen. Gerade kommt das Kreuzfahrt-und Postschiff vorbei. Wir freuen uns, ihn gesehen zu haben. Dieses Schiff hat seine eigene Geschichte und wir haben früher ein Doku darüber gesehen.

Hurtigruten in Sortland auf Reisen 


Hurtigruten oder Hurtigruta ist die übliche Bezeichnung für die traditionelle norwegische Postschifflinie, die seit 1893 die Orte der über 2700 Kilometer langen norwegischen Westküste verbindet. Alternativ wird in Norwegen auch kystruten Bergen–Kirkenes als offizielle Bezeichnung gebraucht.

Diese wunderschöne Bucht wird mir noch zum Verhängnis 


Wir fahren weiter, Torsten will noch eine Gasflasche auffüllen. Und dann noch zu „Kiwi“ einkaufen. Schon bevor wir bei „Kiwi“ angekommen sind, sehe ich ein ganz anders aussehendes Schiff, direkt gegenüber dem Parkplatz. Torsten erklärt, dass es ein militärische Kreuzern ist . Ich habe sie noch nie gesehen und will es natürlich auch fotografieren. Nach dem Einkaufen, sage ich Torsten, dass ich noch die Brücke und die Möwen filmen will. Mache ich auch. Und mache noch ein paar Fotos von den Schiffen. Ich gehe mit Schilka zurück zum Wagen und auf einmal stehen zwei norwegische Marinesoldaten in ihrem Uniform, bewaffnet und mit schwarzen Brillen. Sie reden mich an, ich verstehe nur Bahnhof. Rufe Torsten. Torsten ist erschrocken und versucht zu erklären, wer wir sind. Ich verstehe immer noch nicht, warum ich nicht filmen darf, wenn alles offen ist. Direkt neben dem Supermarkt. Mein Hirn sucht nach Logik und wird nicht findig. Unsere Pässe und Personalien werden überprüft und weiter durchgegeben. Sie erklären uns, dass ich dieses Schiff nicht filmen darf und soll meine Bilder bzw. Filme löschen. Ich tue es pflichtbewusst. Leider immer noch nicht ganz verstanden. Denn ich habe auch keine Warnschilder gesehen, dass ich es nicht machen darf. Okay, sie verabschieden sich und wir dürfen weiter fahren. Die Stimmung ist ein wenig gedrückt bei uns beiden. Unsere Schöne und friedvolle Welt ist sofort nicht mehr friedvoll. Es wird uns bewusst, dass die Weltsituation sehr bedrohlich ist und dass diese doch ernst genommen werden muss. Es ist nicht die Zeit für Naivität und Gedankenlosigkeit. Die glückliche Urlaubszeit hat unsere Sinne ein bisschen entschärft. Ja, es ist paradiesisch hier, aber es ist noch kein Paradies im biblischen Sinne. Schade.

Links paradiesische Aussicht, rechts… darf man nicht fotografieren, aber sehen😊


Nach diesem Vorfall fahren wir weiter, ein Bisschen geerdet. Ich muss erstmal zu mir finden, denn erst jetzt verstehe ich, in welche Lage ich uns gebracht habe. Wir fahren nach Andenes, wo man Wale sehen kann. Und noch Orkas und große Delphine, wie ein Reisender uns später berichtet. Wir fahren an atemberaubenden Landschaften vorbei, da lasse ich lieber die Bilder für sich sprechen. Wir sind nicht mehr auf Lofoteninseln, sondern auf Vesterålen. Hier gefällt mir noch besser. Ich kann meine Augen nicht abwenden, man möchte es aufsaugen und festhalten. Diese Farben vom Wasser, diese Schneeberge… 


Und dann sind wir zum Andenes Campingplatz angekommen. Noch mehr Schönheit? Bitte, komme hierher… 


Nach der Ankunft und dem ersten Spaziergang mit Schilka am Strand, kehren wir zurück zum Auto. Alles ist verschlossen, Torsten redet schon wieder mit anderen. Na, das kann ja lange dauern, denke ich und schaue lieber auf die Wellen, die den Strand zwar sanft streicheln, aber ihre Kraft bleibt nicht unverborgen. Man spürt diese Kraft und ich denke sofort an den, der diese Kraft in Zaum hält, dieser Macht die Grenze setzt.

 


„Wer hat das Meer hinter Türen eingeschlossen, als es aus dem Mutterleib hervorbrach, 9 als ich es in Wolken kleidete und in dichtes Dunkel wickelte, 10 als ich ihm eine Grenze festsetzte und seine Riegel und Türen einsetzte, 11 als ich sagte: ‚Bis hierher darfst du kommen und nicht weiter, hier enden deine stolzen Wellen‘?“

(Hiob 38:8-11)


Heute war genug der Aufregung, stelle ich fest, ich bekomme die Kopfschmerzen und will heute Abend früher ins Bett. Bin müde, es ist bereits fast 23 Uhr. Nur die strahlende Sonne ist so stark, dass man die Fenster zudecken muss, sonst wird man geblendet. Wollte warten, um den Sonnenuntergang zu fotografieren und habe mich erinnert, dass es diesen hier zu dieser Jahreszeit nicht geben kann. Die Sonne wandert zwar, aber will nicht untergehen. Deshalb darauf zu warten - sinnlos. Ich gehe einfach mal... 

 

den 23.05.2025, Andenes, Norwegen 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.