
Wie schön sehen die sonst in Graubraun gefärbte Felsen in der Mitternachtssonne aus! Der Strand ist Pastellrosa, das Wasser Türkis, sogar das Gras hat etwas von Rosé abbekommen.
Gestern Abend ist der Wind stärker geworden und es stürmte die ganze Nacht (oder Tag?), denn die Nacht im ursprünglichen Sinn erleben wir hier nicht. Aber die Uhr ist hier ein wichtiges Requisit. Damit kann man den Tag von der Nacht unterscheiden.
Schon gestern bekam Torsten einen Anruf von der Whalwachting Safari. Sie sagten unseren Termin für Sonntag ab wegen der stürmischen See und boten uns die Fahrt mit dem Gummiboot für Samstag nachmittags an. Torsten war natürlich skeptisch, und, ehrlich gesagt, kann ich nicht ganz nachvollziehen, warum sollte die Gummibootsfahrt sicherer sein als die Fahrt mit dem Schiff. Der einzige Unterschied - Geld sparen? Torsten lehnte ab und die Fahrt wurde auf Montag verlegt. Deshalb haben wir noch ein Ruhetag in Andenes “gewonnen“. Ich bin nicht traurig deswegen und freue mich darauf, noch einen Tag hier zu verbringen. Ich wollte heute versuchen, ein Bild zu malen. Dann wird mein Andenken an diesen Ort perfekt. Gut, so ist der Plan für heute. Der Mensch denkt, aber Gott lenkt.

Der erste Blick aus dem Fenster: Rosé ist nicht mehr zu sehen, Türkis ist geblieben
Unser morgendlicher Spaziergang mit Schilka vor dem Frühstück gestaltet sich anders als gestern. Sie ist heute nicht gewillt beim Wind draußen zu verweilen. Immer wieder versucht sie mir zu verstehen zu geben, dass sie nach Hause will, indem sie sich umdreht und zurück an der Leine zieht. Ich möchte aber noch am Strand bleiben und der Stärkere gewinnt. Als ich ihr ihren Willen dann doch überlasse, sucht sie jede Gelegenheit, rauf zu kommen. Leider ist sie zu klein, um die hohen Sanddünen zu bewältigen. Sie schaut mich an. Ich zeige, dass wir weiter gehen müssen, sie versteht und geht weiter bis zu unserem Weg. Sie erkennt ihn und will rauf. Ohne Hilfe schafft sie es hochzuspringen und mit Elan läuft sie zum Wohnmobil, wo der „Papa“ mit dem vorbereiteten Frühstück auf uns wartet.
Zuhause ist es warm und sie sucht ihr Körbchen auf und bleibt drinnen bis man sie zu sich ruft. Norwegisches Frühstück aus dem Kartonpäckchen riecht gut und sie frisst ein bisschen davon. Der Rest bleibt. So is(s)t sie eben. Lieber Krümel vom Tisch als voller Napf nur für sich allein. Die Franzosen würden sie als eine Gourmet bezeichnen und nicht als einen Gourmand.
Ich will zurück.. wo bleibst du?.. Kannst du mir nicht helfen? Dann nicht… Ich schaffe es allein.. Ich hab es geschafft.
Zum Frühstück packt Torsten eine Delikatesse von den Lofoten aus - geräucherten Lachs, bäckt die Brötchen im Omnia auf, mahlt (buchstäblich) eigenhändig die Kaffeebohnen und brüht Filterkaffee auf. Nach dem Spaziergang im Wind, der die Geschwindigkeit bis zu 43 km/h erreicht, ist es sehr angenehm und wohltuend.
Dann packen wir die Gelegenheit, dass einige abgereist und die neue noch nicht angekommen sind, beim Schopf. Vielleicht ist endlich die Waschmaschine frei? Nein, noch eine halbe Stunde muss man warten. Inzwischen ist das Frühstück beendet. Ich räume auf, Torsten belädt die Waschmaschine. Der Trockner ist hier nicht vorhanden, nur ein paar Wäschespinnen. Leider bei diesem Wind ohne Klammern wird kein Wäschestück auf der Leine hängen bleiben. Wenn man nicht will, dass sich die frisch gewaschene Sachen auf dem Strand verstreuen oder sich gar für immer in die hohe See verabschieden, muss eine Lösung her. Wir haben einen kleinen Anhänger mit Wäsche-klammern für Camper und eine Leine. Torsten will etwas konstruieren, damit wir die Wäsche aufhängen können. Es wird nicht einfach sein. Aber wir werden es versuchen.

Unser kleiner Trockner
In zwei Stunden ist die Buntwäsche fertig. Torsten kommt und strahlt, er hat im Wäscheraum die T-Shirts und Hosen aufhängen können. Kleinkram bringt er ins Wohnmobil und alles passt auf unsere kleine Wäschekarussel. Die Gasheizung wird schon alles richten. Ein kleines Bügeleisen haben wir auch dabei. Meine Sorge ist, dass gerade auf der Leine die Wäsche bis heute Abend nicht trocken wird. Dann müssen wir alles noch im Wohnmobil irgendwie aufhängen. Inzwischen hat es ordentlich geregnet und wir sehen, wie beim Wind und Wetter zwei Boote voll mit Menschen besetzt an der Küste, wo wir mit dem Wohnmobil stehen, mit hoher Geschwindigkeit vorbei sausen. Ich sehe das und sage mir, ich möchte grade nicht auf diesem Boot sitzen. Vielleicht haben wir doch die gute Wahl getroffen. Schauen wir, wie es morgen mit dem Wetter so wird…

Ob sie heute was erleben?
Dass die Boote an uns vorbei fahren, bestätigt die Erzählung eines Angestellten, der hier arbeitet. Er sagte, dass er von hier aus Orcas beim Jagen sehen konnte. Ein andere teilte uns mit, dass auf den Gummibooten die Walforscher sind und dass sie die Meerestiere orten können, sie finden, um sie zu den Forschungszwecken beobachten zu können. Wir haben uns entschieden, falls uns ein Gummiboot anstatt eines Schiffes angeboten wird, machen wir diese Safari auf dem Wasser auch mit einem Gummiboot mit. Denn länger darauf zu warten, wollen wir auch nicht, auch wenn es hier sehr schön ist. Wir haben noch viele Kilometer vor uns.

Während ich darüber schreibe, kommt jetzt zum zweiten Mal wieder das Boot. Die Orkas müssen irgendwo in der Nähe sein.
Obwohl der Tag hier nicht endet, die Zeit läuft, die Wäsche hat Torsten auf die Wäschespinne draußen aufgehängt und sie ist fast trocken. Er bereitet das Wohnmobil zur Abreise vor, denn morgen sind wir sehr früh dran. Wir müssen zeitig an dem Treffpunkt sein und werden dann mit einem Kutter ins Meer stechen, um nach Walen zu suchen.
Aber wahrscheinlich werden wir “nur” Orkas zu sehen bekommen, wenn überhaupt. Ich bin nicht gerade freundlich gesinnt gegenüber diesen Killern der Meere. Viele Dokumentationen haben einen negativen Eindruck bei mir hinterlassen. Ich mag diese Aggressivität nicht, in allen Formen - bei jedem Geschöpf. Obwohl mir bewusst ist, dass sie jagen nicht aus purer Freude, sondern um des Überlebens Willen. Ich will über diese Tiere mehr erfahren, bevor ich sie sehen darf. Vielleicht ändere ich meine Einstellung dazu?

Über Orkas bei Wikipedia - ob ich morgen solche Fotos machen kann?
“Der Schwertwal, auch Orca, Killerwal, Mörderwal oder veraltet Butzkopf genannt, ist die größte heute vorkommende Art der Delfine. Schwertwale leben in allen Ozeanen, hauptsächlich in den Polargebieten. Schwertwale sind soziale Tiere mit einer komplexen Populationsstruktur.
Die kleinste Einheit ist die Mutterlinie, ein sehr enger Verband von mütterlicherseits verwandten Walen. Sowohl auf der Ebene der Mutterlinie als auch auf höheren Populationsebenen werden bestimmte Jagdtaktiken und Lautäußerungen an Jungtiere weitergegeben, was zuweilen als Kultur bewertet wird.”
Klingt irgendwie sympathisch oder?
“Solch eine typische Gruppe besteht aus einer alten Kuh, ihren Kälbern sowie den Kälbern ihrer weiblichen Jungtiere. Es handelt sich um eine sehr enge Bindung, nur gelegentlich bewegen sich Individuen für mehr als ein paar Stunden abseits der restlichen Mutterlinie.”
Respekt vorm Alter… sehr sympathisch. Also, Oma ist ein und alles bei Orkas.
“Jede Mutterlinie entwickelt eigene Lautäußerungen und Jagdtechniken, die an die Kälber weitergegeben werden.”
Eigenen Dialekt haben sie also auch!
“Schwertwale wurden mehrfach dabei beobachtet, Jungtiere etwa in Richtung von Beute zu stoßen oder ihnen bereits gefangene und geschwächte Beutetiere zuzuwerfen. Ein Beispiel ist auch das absichtliche Stranden von Schwertwalen vor Argentinien, um Robben in der Brandung zu fangen: Dies wird 3–5 Jahre alten Kälbern beigebracht, indem sie auf den Strand geführt und wieder ins Wasser gestoßen werden. Solche Verhaltensunterschiede zwischen den Mutterlinien werden von Biologen als Manifestation von Kultur gewertet.“
Was ist die Manifestation von Kultur bei Tieren?
Unter Tierkultur versteht man Informationen oder Verhaltensweisen, die innerhalb einer Gruppe oder Gemeinschaft geteilt und durch soziales Lernen erworben werden .
Sie sind intelligent und lernfähig. Leider nutzen Menschen diese Fähigkeiten für ihre Zwecke, sie werden in Delphinarien eingesperrt und dressiert zu unserem Vergnügen. Ich freue mich, die Orkas in der Freiheit zu erleben. Sie sollten vergnügt sein, wir werden uns sowieso freuen.
Übrigens, an dieser Stelle bedanke ich mich wieder bei Wikipedia! Ich habe wieder was gelernt, zum Beispiel, keine voreilige Schlüsse ziehen, wenn man nichts Genaues weiß…
Zurück in die Realität: Jetzt nur die trockene Wäsche bügeln. Draußen im Wind wurde alles gegen Abend trocken, ich kann es bügeln und wegräumen. Fast wie Zuhause. Das kleine Reisebügeleisen machte alles mit. Wir sind heute beide zufrieden, weil wir es mit der Wäsche geschafft haben und morgen früh können wir in das neue Abenteuer stürzen. Wir wissen ja, wer rastet, der rostet. Auf einmal kommen Gesundheitsbeschwerden wieder zum Vorschein. Nein, nein - wir müssen weiter fahren.

Das Reisebügeleisen auf einer Reise… mit uns
Inzwischen ist schon 21.00 Uhr und wir müssen heute möglichst früh ins Bett. Aus meinen Plänen, etwas zu malen, wurde nichts. Es war kein sonniger Tag und die Lust dazu war hin. Die See veränderte während dieses Tages mehrmals seine Farbe: vom Türkis zum Graublau, dann war sie fast weiß und jetzt auf einmal kam die Sonne und blendet wieder sehr stark, man kann kaum auf das Wasser schauen und sie erscheint in Sandfarbe. Vielleicht wird die See morgen ruhig sein? Schön wär’s. Ich mache Schluss für heute, sticke noch ein wenig, mit Schilka muss ich auch nochmal raus und dann geht Tag schon zu Ende.
Den 25. Mai 2025, immer noch Andenes, der schönste Ort am Europäischen Nordsee ( bis jetzt)
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