Kapitel 6, 2. Mai 2025, Rex Garden in Førde und Schweinswale in Åvika

Die Touristeninfo in Førde vor dem Rex Garden

 

Heute wurden wir wieder vom Lärm aufgeweckt. Diesmal waren es nicht Möwen, sondern die Müllabfuhr. Es krachte und klirrte: die Glascontainer  nebenan wurden noch in voller Dunkelheit abgeholt. Norweger beginnen ihren Tag früh an. Aber beenden ihre Arbeit dementsprechend früher. Der frühe Vogel fängt den Wurm, - sagt man dazu. 

Der Regen hört auf und Torsten nutzt die Pause, um mit unserem Hund Gassi zu gehen. Wie immer, jeden Tag am Morgen steht auf dem Plan zuerst persönliche Hygiene und dann das gemeinsame Frühstück, ein Ritual eben. Zwischendurch regnet es wieder. Das Wetter nach dem Frühstück spielt keine Rolle mehr, denn wir sind entschlossen bei jedem Wetter rauszugehen. Wir ziehen unsere, laut Etikett wasserabweisenden Jacken an und nehmen für alle Fälle einen Regenschirm mit.  Obwohl beim Regen hätte er nur unsere Köpfe schützen können, der Rest des Körpers wäre allen Elementen der Natur ausgesetzt bleiben. 

Am Eingang in den Rex Garden stehen sehr schone aus Steinen zusammen aufgebaute Vasen. Sehr kunstvoll.

 

Und dann passiert wieder ein Wunder. Der Regen hört auf, die Sonne kommt raus. Wir gehen durch den Rex Garden, der befindet sich in Førde. Es ist ein schöner Rhododendronpark mit Holzskulpturen, Brücken, Wasserläufen, Kinderspielplätzen und Plätzen für Volleyball, Fussball, mit Turngeräten und einem Kletterspielplatz. Mit vielen Grillplätzen und Tischen und Bänken entweder aus Holz oder aus Stein. Ein idealer Ort für die Familie oder für eine Feier mit Freunden. Im Sommer kann man sicherlich im See plantschen, denn es gibt ein natürlicher Becken mit Stufen, die runter zum Wasser führen. Als wir morgens davor standen, könnte man dort auf dem Boden Muscheln sammeln, bei unserem Rückkehr drückte langsam Flut das Wasser zurück in den Becken.

 

All das fanden wir in einem parkähnlich gepflegten Ort. Wandern durch den Rex Garden hat richtig Freude gemacht. So viele Farben, so viele Sorten und Arten von Rhododendron an einem Ort! Und obwohl noch nicht alle erblühten, war es eine Reise ins Paradies.

In mir steigt der Wunsch auf, diesen Ort nochmal bei unserer Rückkehr zu besuchen. Ich würde gerne den “Rex Garden”- Garten in voller Pracht sehen.

 

 

Nach dem völlig unerwartet ausgedehnten Spaziergang und OCH! und ACH!, geht die Reise weiter Richtung der Stadt Bergen. Wieder mit der Fähre. Der Wind auf dem See ist so stark, dass ich mein Handy nicht festhalten kann. Auf dem Oberdeck angekommen, machen wir Fotos und Videos,  z. B. von einem  Segelboot oder von mehrere Fähren, die uns entgegen sausen. Auch können wir, von der Fähre aus, einige Fischzuchtstationen sehen. Später werden wir sie öfter sehen, hier aber sehen wir sie zum ersten Mal  nahe.

 

Wärend ich noch mit alldem beschäftigt bin, höre ich die Fetzen einer Unterhaltung, die mir der Wind ins Ohr bläst. Drehe mich um und sehe, wie Torsten sich mit einem Unbekannten auf Englisch unterhält. Neben meinem Mann steht ein „Wikinger“: kräftig gebaut, mit im Wind wehendem langen Haar, er sieht fast wie der König Harald Hårfagre aus, dessen Denkmal wir vorher besichtigt haben.


Aber es war kein Norweger mit dem Wikingerblut in Adern. Torsten hat mich später aufgeklärt, dass das ein Tscheche war, der als LKW-Fahrer arbeitet. Bei der Kälte und Wind trug er nur ein T-Shirt und Shorts. Er sagte, dass er auch im Winter so angezogen unterwegs ist, nur die Hosenbeine sind ein bisschen länger und lacht dabei herzlichst. Dann zeigt er auf seine Boots und sagt, dass  die Schuhe - das Wichtigste für ihn sei, alles andere nicht. Und zeigt auf seine voll tätowierte Arme, zupft an der Haut seines Armes und sagt, dass das unser Schutz sei.

 

Für uns, die Verweichlichten, klingen seine Aussagen nicht überzeugend. Die eisige Windböen treiben uns wieder in die Kabine des Wohnmobils. Unser Hund hat sich in unserer Abwesenheit brav benommen, nicht geheult. Ich glaube, sie lernt auch etwas aus dieser Reise. Hoffentlich lernt sie, auch zuhause allein zu bleiben, ohne Trennungsschmerz laut für alle Hörende zu bekunden.

 

Ich spaziere weiter auf der Fähre und als ich wieder zurück komme, erzählt mein Mann mit Begeisterung, dass der nette norwegische Tscheche uns 2 Dosen tschechisches Bier mitgebracht. Und Torsten in Verzweiflung griff nach TABLERONE, das einzige, was wir aus der Schweiz noch anbieten konnten.  Jan, so hieß der Gute, habe ich nicht mehr auf der Fähre getroffen, um mich bei ihm zu bedanken. Höchstwahrscheinlich ging er doch zurück zu seinem Transporter. Danke, Jan! Das tschechische Bier ist klasse! 👍 

 

Fischzucht in Norwegen

 

Gelandet oder ehe gestrandet, fahren wir weiter. Torsten fragt, ob ich Wunsch habe, in Bergen durch die Stadt zu gehen. Das Wetter verschlechtert sich und ich habe keine Lust unter ständig wiederkehrendem Regenguss durch die Stadt zu laufen. Ich würde lieber irgendwo in der Natur stehen als Stadttour zu machen. Wir beide sind keine Stadtmenschen, zu viel Autos, zu viel Krach und Lärm.

 

Wir halten uns bei einem Supermarkt, der kalte und warme Mahlzeiten anbietet, denn wir beide haben ordentlich Kohldampf. Beim Anblick eines Brathühnchens auf dem Werbeplakat wird uns klar, wir beide sind dafür. Es regnet und regnet, aber im Auto riecht nach Brathähnchen, alle kriegen was zum Beißen, auch der Hund scheint zufrieden zu sein. 

Nun, geht es weiter. Torsten sucht nach einem Reifenhändler, meint, etwas stimmt mit Reifen nicht. Und in Alvesur findet er einen. Der junge Norweger klärt Torsten auf, dass die Reifen zu stark gefüllt sind, 10 Bar ist viel zu viel, deshalb springen die Räder beim Fahren auf der Strasse. Unser Geschirr hat die ganze Zeit uns darüber informiert, wir haben diese Signale gut gehört, aber nicht darauf reagiert. Der nette Norweger hilft uns Reifen auf den Vordermann zu bringen, nur auf 4,5 Bar. Gibt uns auf den Weg gute Ratschläge, die wichtig sind, besonders, wenn man Richtung Norden fährt. Und, o Wunder, das Auto ist leise geworden und wir hören kein Mucks mehr von unserem Geschirr. Das Auto läuft weicher und springt nicht mehr wie ein kleines Böckchen. 

Beim Reifenhändler in Not- etwas besseres belehrt werden, was Reifen angeht 


Wir fahren weiter Richtung Bergen. Bergen ist sehr grosse Stadt. Aber wir bleiben nicht in der Stadt. Es regnet weiterhin wie aus Kübeln und wir passieren die Stadt ohne anzuhalten, geraten in Stau an der Ausfahrt aus der Stadt. Wahrscheinlich, ist es bei vielen der Feierabend. Denn ich sehe, wie einige zur Bushaltestelle gehen und andere dort in ihrer Arbeitsbekleidung bereits auf ihren Bus warten.

 

Langsam kommen wir aus der Stadt und fahren Richtung Åvika, dem schönsten Platz für Wohnmobile, wie mein Mann aus irgendwelchen Quellen entnommen hat. Die Strasse ändert sich von gut auf weniger gut, dann wird sie holprig, dann nur einspurig und aus Schott, dann letztendlich unheimlich. Wir fahren zwischen dicht stehenden stämmigen Tannen, eng an felsigen  Wänden vorbei. Ich zweifle, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Der Fjord ist nicht zu sehen.

 

Solche Straßen in Norwegen sind normal. Es ist nichts Ungewöhnliches dabei, weil viele Norweger von der Hauptstraße entfernt leben und nur auf solchen Wegen erreichbar sind. Die Briefkästen sind am Straßenrand angebracht, dadrunter sind alte und neue, verbeulte und weniger demolierte zu sehen. Man kann sogar daran feststellen, wie viele Haushalte auf der Nebenstraße wohnen: man muss nur die Briefkästen zählen. Würde der Postbote an jedes Haus die Post bringen, würde er wahrscheinlich wochenlang unterwegs sein, denn die Straßen zu den entlegenen Häuser sind oft nicht gerade “auto- und menschenfreundlich”. Wir rätseln, wie bekommen die Norweger ihre Pakete? Ich vermute, dass sie sie selber abholen müssen. Sonst würden Pakete überall am Straßenrand liegen, aber wir sahen keinen einzigen.

 

Danke, Jan!  Wir haben es richtig genossen…

 

Wir fahren aufs Meer zu und ich sehe immer noch keinen Stellplatz und frage mich, ob wir hier richtig sind. Und dann geht es bergab und wir sehen nicht nur Wohnmobile, sondern auch Ferienhäuschen direkt am Meer. Sehr schöner Platz mit Sicht auf den Fjord und das Land, viele kleine Insel, auf dem Insel gegenüber unserem Stellplatz ist ein Leuchtturm zu sehen. 

Wir stehen unentschlossen und können uns nicht entscheiden, wo man parken sollte  bzw. darf, da kommt uns schon ein alter Mann entgegen mit breitem Lächeln. Ein Fischer,  er riecht stark nach Fisch. Ich sehe, dass er gerade dabei war, die Netze vorzubereiten. Denn etwa eine halbe Stunde später sahen wir ihn mit seinem kleinen Kutter rausfahren. Er hat seine Netze für die Nacht aufgestellt.

 

Wie ein Gemälde- direkt vor dem Fenster. Das Fernsehen wird nicht benötigt, das fern Sehen macht damit wett.

 

Der alte freundliche Norweger sprach Englisch und hat uns den schönsten Platz gegeben, mit direktem Blick aufs Meer. Das Seewasser an diesem Abend war sehr still, ruhig, vermittelte noch mehr Ruhe als wir es bereits in Norwegen erlebt haben. Der Alte erzählte uns, dass man hier einen Seeadler fischen sehen und Schweinswale beobachten kann. Ich bin zu misstrauisch und glaube dem Guten zuerst gar nicht. Ich denke, er will uns nur alles schmackhaft machen. Ich muss mich schämen für mein Misstrauen. Er war so begeistert von diesem Ort… Sofort bot er uns länger zu bleiben als nur eine Nacht. Torsten könnte hier fischen, es gibt genug Fische hier. Das war ein gutes Argument und  Torsten bezahlt sofort zwei Übernachtungen. Okey, es heisst, wir bleiben bis Sonntag hier. 

Unser Wohnmobil: der erste von rechts, versteckt 

 

Endlich rasten wir und lassen uns gut gehen. Torsten geht auf die Auskundschaft, wo was ist, wo man alles entsorgen kann, wo man sauberes Wasser holen kann, Strom fließt bereit durch unseren Stromanschluss.

 

Ich gehe mit dem Hund raus, Beine zu vertreten. Sehe den Weg, der auf einen höher gelegenen Stellplatz mit tollem Aussicht zum Meer, führt. Im Hochsaison wird hier alles voll sein, bin ich davon überzeugt. Denn der Platz befindet sich mitten in der Natur, fern von der Zivilisation.

Ich kehre zurück und vermisse meinen Mann, gehe auf die Suche nach ihm und höre schon von weitem sein Lachen. Er hat schon wieder eine Bekanntschaft gemacht. Ich muss dringend Englisch lernen!!!

 

Torsten steht mit einer Norwegerin und spricht mit ihr Englisch, beide lachen und sprechen über die Welt und Reisen. Sie erzählt, dass sie mit ihrem Mann etwa 100 km von hier entfernt wohnt, sie haben eine Werkstatt, arbeiten zusammen dort mit ihrem Mann und haben sehr viel Stress. Um diesen Stress auszugleichen, kommen sie beide mit ihrem Wohnmobil schon am Freitag hierher und bleiben bis Sonntag hier stehen, um die Ruhe zu genießen und neue Kraft zu schöpfen. Sie hat ihre Angel in der Hand und hat bereis ein paar Fische geangelt, während ihr Mann in der Sonne sitzen blieb und  seine Ruhe genossen. 

 

Liebe freundliche Norwegerin bestätigt, dass hier Walen zu sehen sind und Torsten sagt, dass er, als ich mit dem Hund unterwegs war, sie auch bereits gesehen hat. Was? Wo? Da, zwischen den Inseln, sie  sind da am Fischen. Ich nehme mein Handy und zoome soweit es geht. Ich sehe nichts. Enttäuscht, denke ich, dass sie schon weg sind. Aber ich hoffe noch auf ein Wunder und starre immer wieder in die Richtung, in die mir Torsten gezeigt hat.

 

Und… o Wunder! Ich sehe etwas, zuerst einen Rücken mit Flosse, der aus dem Wasser auftaucht und wieder eintaucht, und daneben dasselbe Spiel. Die Wale sind viel zu weit entfernt, um sie richtig sehen zu können. Aber ich sehe sie dann immer wieder auftauchen. Es ist bereits Abend und, wenn die Sonne nicht mehr scheint, wird richtig schattig, eiskalt. Der Hund winselt, ich glaube, es ist ihm zu kalt und er will in die Wärme. Mir ist auch kalt und wir gehen dann zu dritt zusammen zu unserem Auto.

Weit weit weg:  2 Schweinswale kommen jeden Tag zum Fischen

 

Torsten bereitet freiwillig aus der Tüte und dem gekauften Schweinefleisch so etwas wie Curry, improvisiert und gibt noch ein paar Hörnli dazu. Es schmeckt uns beiden, auch unser Hund ist heute nicht wählerisch und frisst alles auf, das kennen wir von ihr gar nicht. Ratzeputze leer. Dann noch heissen Tee mit Keksen, perfekt.

Alle sind satt und zufrieden und können Fernsehen. Damit meine ich kein TV, sondern die Panorama, die wir von allen Fensterseiten zu Gesicht bekommen. Das Meer, das Manövrieren der Möwen in der Luft - eine  Faszination für sich. Die Möwen auf dem Wasser erinnern mich an “Schwimmer” einer Angelrute. Weil sie schaukeln auf der Wasseroberfläche genauso, rauf und runter, rauf und runter. Noch am gleichen Tag sah ich auch den Seeadler. Ich habe es nicht erwartet und hatte leider nichts in der Hand, um ihn zu fotografieren. Er war so groß wie ein Pelikan, ich dachte sogar, dass es etwas anderes war. Nur zum zweiten Mal habe ich ihn nicht mehr gesehen. Der alte Fischer ist ein ehrlicher Mann und erzählt keine Märchen. Er liebt dieses Stück Land und ist so begeistert davon, dass er nicht aufhören kann, es zu preisen. Als wir diesen Ort verlassen, verstehen wir ihn. Ich würde auch diesen  Ort nicht verlassen wollen… 

 

Aber wir sind ja gerade angekommen und alles ist schön hier: Wolken, Berge, Wälder. Torsten hat einen Feldstecher, ich habe einen kleinen auch. Wir betrachten alle in der Nähe gelegenen Insel und Stränden der Küste entlang. Man kann ununterbrochen aufs Wasser schauen und es wird nicht langweilig. Wie beim Feuer, weil beide Naturphänomene sind, wirken auf uns faszinierend lebendig, immer in Bewegung. 

 

Fisherman von Åvika

 

Der Stellplatzwärter erzählte uns, dass er zur Hälfte Deutscher ist, sein Vater stammte aus Düsseldorf. Er kann leider Deutsch nicht sprechen. Aber er zeigte auf die Häuser auf der anderen Seite des Fjordes und erzählt, dass dort viele Deutsche leben. Sie arbeiten entweder bei Ölgewinnung auf der Bohrinsel oder in der Raffinerie. 

 

 

Satt und zufrieden

 

Torsten ist müde von langer Fahrt und sein Knie setzt ihm zu, deshalb geht er schlafen. Ich sitze noch lange und schreibe in meinem Tagebuch meine Eindrücke auf. Es wird spät, aber ich möchte bewusst nicht schlafen gehen, möchte einfach weiterhin aufs Meer schauen. Nun, wird auch hinter dem Fenster so düster, dass man nichts mehr sehen kann, und ich gehe endlich zu Bett.

 

2.05.2025 Åvika, Norwegen

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