Kapitel 12, den 8. Mai 2025, Åndalsnes und Åfarnes, Pflege und Reinigung

 

Heute morgen bin ich diejenige, die als erste aufgewacht war. Nicht nur, dass ich als Erste aufgewacht bin, sondern auch als Erste ausnahmsweise aufgestanden bin. Torsten ist müde, kein Wunder. Nach der morgendlichen Wasserprozedur, stelle ich sofort den Wasserkessel auf die Gasherdplatte.

 

Torsten bleibt nicht liegen und steht auf. Genau gesagt, aufstehen kann er nicht, er muss runter von seinem Alkoven klettern, der eng ist und es ist schwierig, auf ihn zu steigen und genauso schwierig absteigen. Er geht sich duschen und setzt sich danach, Kaffeebohnen zu mahlen. Unser löslicher Kaffee ist alle. Neuen kaufen wir nicht. Wir haben viele Packungen Kaffeebohnen mitgenommen und auch eine handbetriebene Kaffeemühle ist auch dabei. Aber, ehrlich gesagt, hatten wir immer, bis auf eine, höchstens zwei Ausnahmen, den Strom und hätten unsere elektrische Kaffemühle von Zuhause mitnehmen können. Für Ausnahmefälle hätte man dann den löslichen Kaffee mitnehmen können. So lernt man während der Reise was dazu. 

Nebelig ist heute morgen

 

Der Morgen ist schön, es hängen zwar Nebelschwaden über die Bergen und dem Fjord, aber gerade das ist sehr schön anzuschauen. Plötzlich,  während wir noch frühstücken, sehe ich einen großen Fisch aus dem Wasser rausspringen und sofort eintauchen. Es ging sekundenschnell, sodass ich zuerst nicht verstanden habe, war das ein Tier oder Vogel. Große Wellen gehen von dieser Stelle in alle Richtungen in Kreisen.  Ich warte gespannt, wer an dieser Stelle auftauchen würde. Aber kein Tier taucht auf, sondern ich sehe immer weitere Wasserkreise an der Wasseroberfläche in der Mitte des Sees. Das war eindeutig ein Fisch und er war eindeutig nicht klein.

Der Verwalter sagte, dass man hier fischen kann. Und das war der Beweis. Ich sage Torsten, er soll jetzt  fischen gehen. Aber nach einem heissen Kaffe und gemütlichem Frühstück will keiner rausgehen. Es ist diesig draussen.

 

Dann kommt eine Elster und inspiziert die Bank und den Tisch vor unserem Wagen nach Krummen. Ich würde gerne ihr was geben, aber sie ist schon fort. Tiere kennen Stellen, wo sie was finden könnten. Torsten macht mich aufmerksam auf einen Vogel hinter dem Baum. Ich schau in diese Richtung: direkt hinter  dicker Birke, vor unserem Fenster sehe ich einen kleinen Kopf mit dem spitzen Schnabel und dem langen Hals in unsere Richtung spähen. Ich sehe ihn an, er sieht uns auch an, das ist sicher. Ich will Kamera nehmen und einen Schnappschuss machen, aber das gefällt dem vorsichtigen Vogel nicht und er fliegt davon. Das war ein Reiher, wir sehen ihm nach, wie er so niedrig, dass man denkt, er berührt mit seinen Flügeln das Wasser, davon fliegt. Mit weit ausgebreiteten großen Flügeln und einem wunderschön gebauten Körper. Er ist bereit zum Fischen.

 

Gerade diese Augenblicke, diese kurze Begegnungen machen die Reise so wunderschön. So nah an der Natur zu sein gelingt in der Stadt nicht, man muss raus aus der Stadt. Deswegen vermeiden wir die Städte und versuchen, da stehen zu bleiben, wo weniger los ist und alle Wald- und Seebewohner sich wohl fühlen. Sie sind vorsichtig und werden vorsichtig bleiben, leider für uns, aber gut für sie. Unser Schöpfer wollte es so, als er sah, dass die Menschen schlecht mit seiner Schöpfung umgegangen sind. Ich erinnere mich an eine Bibelpassage aus 1. Mose 9:2, wo es heisst: „Alle Tiere, die auf der Erde leben, die am Himmel fliegen und die sich auf dem Erdboden fortbewegen, und alle Fische im Meer werden sich weiter vor euch fürchten und vor euch erschrecken. Sie sind jetzt in eurer Hand.“ Das passierte nachdem Tiere die Arche Noahs verließen haben. So blieb es bis heute.

 

Schnappschuss nicht gelungen… Reiher war schneller

 

Wir fahren heute nach Åndalsnes, hier waren wir schon einmal, als wir zuviert mit meinem Sohn und meiner Schwiegertochter gereist sind. In diesem Ort gibt es eine Wäscherei. Sie bietet an: Wäsche waschen, bügeln und sogar zusammenfalten. Wir brauchen gar nichts zu machen: Wäsche abgeben, abholen, bezahlen. Nicht schlecht, mal sehen…

 

Wir kurven rum, fahren am Innfjorden vorbei, wo wir bei Luvise und Olav ein Ferienhäuschen damals  gemietet haben, wir fahren auch vorbei am Königreichsaal, wo wir Zusammenkunft besucht haben. Heute ist der Donnerstag, die Versammlung ist  aber am Dienstag und Sonntag, da sind wir schon ein paar hundert Kilometer weit entfernt. Es ist nicht einfach eine Zusammenkunft zu besuchen, wenn man jeden Tag unterwegs ist. Aber ich freue mich diesen Königreichsaal gesehen zu haben, mit seinem blauen Logo „JW.ORG“. Es wird warm ums Herz und ich erinnere mich an unsere freundliche norwegische Schwester und Brüder. Das ist eine kleine Gemeinde, aber hatte viele Trolleys, die gut mit Literatur auf verschiedenen Sprachen bestückt waren, auch Russisch hat nicht gefehlt.

 

Sie erzählten uns, dass sie oft bei grossen Cruisschiffen ihren Dienst machen und sehr viel Literatur abgeben. Da ich russisch sprach,  erzählten sie mir mit Begeisterung über eine Russin, die mit ihrem Sonn Cruise machte. Sie war sehr an ihrem Stand mit Literatur interessiert und nahm viel Literatur in russischer Sprache mit.

 

Wahrscheinlich sind sie weiterhin so fleissig, jetzt, als Corona nicht mehr Schlagwort in der Zeitung ist. Wäre interessant es mitzumachen. Vielleicht auf dem Rückweg, wenn man nicht mehr so „eilig“ hat auf dem Weg nach Hause? Wir überlegen uns noch…

 

Åndalsnes in Innfjorden, hier waren wir zusammen mit dem Sohn und der Schwiegertochter im Urlaub

Hier waren wir schon einmal bei Lovisa und Olav


Die Wäscherei hat Torsten mit Google Maps gefunden, obwohl sie irgendwie versteckt war und nicht zentral gelegen. Wir sammeln alles zum Waschen, wer weiss, ob wir später noch eine Gelegenheit dazu bekommen. Anziehsachen haben wir genug mitgenommen, aber Torsten und ich ticken ähnlich. Lieber mehr Vorrat an sauberer Wäsche zu haben als zu wenig. 
Ich habe auch Waschmittel dabei, das ist kein Problem. Aber T-Shirts und andere grosse Wäschestücke ist es nicht so einfach sauber zu kriegen ohne einer grossen Wanne.

 

Es heisst, wir sollten in vier Stunden die Wäsche abholen. Vier Stunden. Dann können wir natürlich wieder die Geschäfte ablaufen, ein Mittagessen kochen, die Einkaufsliste abarbeiten. Torsten geht allein einzukaufen, ich schreibe. Ich will endlich erreichen, dass ich tagfrisch meine Gedanken und Erlebnisse aufschreibe. Deswegen mühe mich ab, schreibe mit vielen Fehlern, korrigiere sie, dann noch mal Fehler korrigiere und ändere etwas wieder. Das braucht Zeit. So langsam verstehe ich, dass die Autoren Jahren brauchen, um ein Buch zu schreiben. Sie müssen lange reschaschieren und immer wieder was ändern usw..

Einkaufsmeile in Åndalsnes

 

Torsten schlägt vor, in den Einkauszentrum zu gehen, ich erinnere mich, dort gab Einiges, was uns interessieren würde. BUNPRIX Park arbeitet von 7-22, im Winter von 8-21, ziemlich lang. Es gibt dort Sport und Outlet, Apotheke und viel mehr. So kann man Wartestunden totschlagen bis unsere Wäsche fertig wird. Es ist noch 12 Uhr mittags. 

Wir gehen durch die Einkaufsmeile und schwelgen uns in Erinnerungen. Ja hier habe ich damals Bleistifte zum Malen gekauft, hier haben wir Reisekissen gekauft, die wir immer noch mit sich auf Reisen mitführen. Hier hat mir eine Bluse gefallen, aber sie war viel zu teuer und ich wollte dann sie doch nicht. Da haben wir oder die Kinder etwas gekauft… Erstaunlicherweise, alles sieht genauso aus wie früher.

 

Und dann sehen wir einen Friseursalon. Torsten fragt, selbstverständlich auf Englisch, ob er Haare geschnitten bekommen kann. Ja, nur mit ein wenig Wartezeit. Ich möchte auch die Haare schneiden, meine Aktion mit Pony ist zwar gelungen, aber Rest … Auch ich kann bleiben.

Torsten ist der erste, der dran kommt. Es wird kein Haar gewaschen, nur mit Wasser besprüht und dann wird geschnitten. Ich schau mir das an und denke, na gut, vielleicht bei Männer ist es so. Als ich dran bin, bekommt mein Haar auch nur Sprühwasser. Danach sehe ich regelrecht wie ein begossener Pudel. Die Friseurin schnippelt ein wenig rum, ich sehe eigentlich schlimm aus. Ich bitte Torsten zu übersetzen, dass ich gerne Haare gewaschen und geföhnt hätte. Das übernimmt die zweite Friseurin, weil die Kundschaft mit Termin schon da ist. Die zweite Friseurin kommt mir vor als ob sie noch in Lehre ist. Sie wäscht mein Haar und Wasser läuft mir in meine Kapuze, was ich erstmal nicht ganz bewusst wahrnehme. Hätte meine gute Fee, die Friseurin Susi, das gesehen, wie ich geföhnt wurde, hätte sie die Hände über den Kopf zusammenschlagen.

 

Ich könnte es besser tun, aber ich bin geduldig, kann nicht Englisch und diesmal ist es gut so. Sonst hätte ich vielleicht etwas zu viel gesagt. Nachdem sie mich fertig geföhnt hat, wundere ich mich, warum ich immer noch das Gefühl nicht los kriege, dass mein Haar im Nacken nass ist. Aber sonst sehe ich im Spiegel mit geföhntem Haar auf jeden Fall besser aus als vorher.

 

Der Preis ist stolz, aber nicht teurer als in der Schweiz und wir sind doch am Ende zufrieden, wir sehen trotz der seltsamen Behandlung besser aus als vorher. Deswegen sind wir halbwegs glücklich und zufrieden, dass wir auch das zwischendurch geschafft haben. Im Wohnmobil ist das Rätsel mit nassen Nackenhaaren gelöst. Meine Kapuze ist nass, das Wasser ist beim Haarwaschen rein gesickert, muss deshalb mich erneut umziehen. Sofort fühle ich mich wohler. Hat jemand schon mal nasse Ärmel gehabt und musste damit laufen? Derjenige kennt dieses Gefühl, wie unangenehm das sein kann. Das könnte eine Strafe werden…

Hier waren wir auch: Wolle Wolle Wolle (Veblungsnes)

Sie erinnern mich an meine Oma. Sie hat genau mit diesen Mustern gestrickt 


Als wir mit Alex und Ringo hier waren, hatten wir mal einen schönen Laden gefunden: Wollladen in Verlungsnes. Ich weiss noch, dass ich die Handschuhe aus Naturwolle dort gekauft habe. Torsten will diesen Laden aufsuchen, weil in seiner Erinnerung ist ihm geblieben, dass sie dort auch warme Mäntel aus Loden verkauft haben. Ich glaube, er hat es immer noch im Sinn, mir einen schönen Mantel zu finden.

 

Er findet die Adresse im Internet und fährt hin. Ja, das ist der Laden. Mäntel gibt es nicht mehr. Aber schöne auf 50 Prozent reduzierte norwegische Pullover. Torsten gefällt einen mit schöner volkstümlichen Verzierung, so wie früher Norweger getragen haben, und will ihn anprobieren. Es steht ihm gut, aber er fragt nach meiner Meinung.

 

Ich sage nur, wo willst du ihn tragen. Zuhause,- antwortet mein Mann. Zuhause ist bei uns auch im Winter so warm, dass ich Fenster stets offen halten muss, um zu lüften. Ich erinnere ihn daran.

- Ja, dann zur Arbeit.

Auf der Arbeit dieselbe Geschichte. Er selber hat geklagt, dass auf der Arbeit zu warm und stickig ist, aber viele wollen nicht, dass die Fenster zum Lüften geöffnet werden. Ich sage, wenn dieser Pullover dir gefällt, dann kannst ihn vielleicht für den Dienst anziehen, der wird dich gut wärmen, wenn du unterwegs im Winter bist. Aber er muss gepflegt werden und darf nicht in die Wäsche landen, dann wird aus ihm ein Pullover für ein Baby. Er kauft ihn und ist sehr zufrieden.

 Vorher hat er mir warme Boots für Winter gekauft, die waren auch reduziert und ich habe sie bereits angezogen, denn meine Schuhe, die ich trage sind nicht wasserdicht, für Sommer und trockenes Wetter sind die geeignet, aber für heutiges Wetter nicht. Es regnet, ehe nieselt. Trotzdem es ist überall nass und bilden sich Pfützen. Jetzt bleiben meine Füße warm und vom Wasser geschützt. Und die sind für das Wandern geeignet. Was will man mehr? Beide sind zufrieden.

 

In Veblungsnes vor dem Wollladen

 

Wir haben dann noch Zeit, um einen Burger zu essen. Torsten tankt das Auto, parkt hinter der Waschstraße in eine Parklücke und läuft zur Burgertheke in demselben Pavillon. Die Burger sind hier gross und richtig lecker. Sie machen uns satt. Die Zeit ist bereits kurz vor 16 Uhr. Wir fahren, unsere Wäsche abzuholen. Die gute Frau ist fast fertig, noch ein paar Minuten und Torsten holt alles schön verpackt, gewaschen und gebügelt für 150 Kronen, das ist ca. 15 Euro, ins Wohnmobil. Er gibt der guten Fee 200 Kronen und plaudert ein wenig mit ihr. Es ist ihr Business, sagt sie, und ich glaube, sie ist damit zufrieden. Die Kunden bestimmt auch, wir —auf jeden Fall. 

Der Stellplatz Herje Caravan, noch uns nicht bekannt. Wir fahren zum Prüfen: entweder oder

 

Torsten will zum anderen Stellplatz fahren und schauen, wie es dort aussieht. Wenn es uns nicht gefällt, verspricht er zurück zum vorherigen Stellplatz mit schönem Namen Natur Blick zum Fjord fahren. Dort war es sehr schön und ruhig. Überhaupt, ich bin heute sehr müde, wahrscheinlich wegen dem Wetter, es regnet und es liegt alles im Nebel. Mein Kopf ist auch neblig, Augen fallen zu. Beim Friseur während mein Haar gewaschen wurde, saß ich auf einem Massagesessel. Ich könnte dort glatt einschlafen, es war sehr schön, warm und gemütlich. Ein Stündchen in diesem Sessel hätte mir gut getan und mich zufrieden gestellt, ganz gleich, wie ich danach aussehen würde.

 

Wachsamer Ganter… Frauchen kann sich auf ihn verlassen

 

Als wir zum Stellplatz kommen, o Wunder, natürlich ist wieder keiner da. Wir suchen uns einen Platz und parken. Plötzlich entdecken wir zwei wilde Gänse gegenüber dem Auto, die uns sehr prüfend anschauen. Ich mache mir Sorgen, dass wir sie stören könnten und schlage vor, umzuparken. Auch dann wird Gänserich aufmerksam und wachsam. Er frisst gar nichts, nur die Gans zupft seelenruhig das grüne Gras und macht sich keine Sorgen. Sehr schöner Anblick.

Der Platz ist sehr schön

Wir warten auf den Betreiber des Campingplatzes, er sollte zwischen 20 und 21 Uhr vorbeikommen. Er kommt nicht. Wir sind satt noch vom Burger und trinken nur einen Tee. Heute sind wir beide geschlaucht und möchten schlafen. Torsten, wie immer, geht früher ins Bett. Ich schreibe noch und warte, vielleicht kommt noch einer vorbei. Als bereits  Mitternacht erreicht wird, ist auch mir klar, warten ist sinnlos. Heute kommt keiner und ich gehe zum Träumen.

 

Den 8. Mai 2025, Åfarnes, Norwegen 

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