
Der Fustvatnet heute morgen
Heute morgen bin ich früher aufgestanden als Torsten. Sofort nach dem Aufstehen bin ich mit Schilka rausgegangen, um den See Fustvatnet zu betrachten. Gestern schnurrte der See wie die Katze, heute war er sehr still und friedlich, als ob er sich noch im Schlaf befand. Die Ufern spiegelten sich im Wasser. Nichts hat dieses Spiegelbild verändert.
Ich mache sofort Fotos, denn mein Traum ist es, alles festzuhalten. Ich würde gerne später versuchen all das zu malen. Jetzt geht nicht: draußen zu malen ist zu kalt, drinnen keine Zeit und fehlt noch ein geeigneter Platz dazu. Somit mache ich unterwegs viele Fotos, um später noch ein „Mal-Reisebuch Norwegen“ zu gestalten. Mein nächstes Projekt wartet auf mich zuhause. Bis dahin, bleiben mir nur diese Augenblicke, die ich fest im Gedächtnis einprägen möchte.

Bei diesem Anblick wird die Seele eines Landschaftsmalers jubeln. Malutensilien dürfen dabei nicht zu weit entfernt bleiben.
Nach dem Gassi gehen (Schilka erledigt alles mit dem Rekordtempo, wie noch nie) setze ich mich an den Tisch und will noch ein wenig sticken bis Torsten aufsteht. Aber er steht schon auf. Er ist noch in der „Badeabteil“, da klopft schon jemand kräftig an der Tür. Unser „Nachbar“, der 78 Jahre alter, aber sehr kräftiger und rüstiger Norweger steht vor der Tür. Da ich im Englisch ein Analphabet bin, spricht er mit Torsten.
Gestern haben sie sich über Reisen und Sehenswürdigkeiten des Norwegens unterhalten. „Was wolltet ihr bei Nordkap? - stellte der Norweger die Frage in meinem Beisammen an Torsten, - da ist nicht los. Nur eine Show“. Das habe ich verstanden und sagte Torsten: „Mag sein. Aber ich möchte diese Show einmal sehen“.
Okay, wenn ihr schon hin wollt, rät er uns dann ein bisschen weiter zu fahren, nach Verden (bestimmt habe ich falsch geschrieben), dort ist sehr schön. Gut zu wissen, wir werden es sehen. Torsten hat noch weitere wertvolle Tipps bekommen von ihm. Später abends saß Torsten über die Landkarte Norwegens gebeugt und hat unsere weitere Route geplant.
Für heute, - sagt der frühere Besucher,- ist der Weg zum Polarkreis wieder frei, gestern war er noch gesperrt (wegen dem Schnee?). Er wollte auch hin. Vielleicht treffen wir ihn dort wieder? Ich hab noch eine Tafel schweizer Schokolade dabei und möchte ihm schenken. Diese Sorte habe ich hier noch nicht gesehen, deshalb hoffe ich, dass sie ihm vielleicht Freude bereitet.

Schön, den Kaffee und diese Aussicht gemeinsam zu genießen…
Das Frühstück wird bei uns zelebriert. Es darf nich hektisch sein. Doch dann sieht Torsten den Norweger vom Parkplatz wegfahren und wird auf einmal nervös. Wir sollen uns beeilen. Schon wieder macht er sich Sorgen, ob wir zum Polarkreis schaffen. Ich erinnere ihn daran, dass wir von Norwegern lernen wollten, Gelassenheit an den Tag zu legen, das Leben so zu nehmen, wie es ist. Wir üben noch…

Bei der Fahrt durch Mo I Rana
Wir starten los. Da ich dabei sticke und nicht auf den Weg schaue, sehe ich nicht, wo wir gerade sind. Auf einmal höre ich die Navi-Stimme sagen: „Sie haben ihr Ziel erreicht.“ So früh schon?
„Nein, ich muss entsorgen“, - kommt die Antwort, dann müssen wir beide herzlich lachen. Bei Campern ist das erste Ziel - Entsorgungsstelle zu finden, dann kann man auch andere Ziele verfolgen.
Nach der erfolgreichen Entsorgung ist das nächste Ziel auf dem Plan: Gas auffüllen. Obwohl die Glasflasche noch nicht leer ist und zwei als Reserven noch da sind, will Torsten unbedingt eine noch voll machen lassen und diesmal nicht ohne Grund. Je weiter nördlicher wir kommen, desto teurer wird alles. Auch die Möglichkeiten, z.B zu tanken oder Gas zu holen, werden spärlicher oder einfach teurer.
Es ist noch sehr kalt in der Nacht, die Heizung arbeitet mit Gas. Wenn man warm haben will, muss man die Vorsorge treffen. Hier bin ich mit Torsten gleicher Meinung.

Noch nicht grün…
Den Gashändler hat Torsten in Mo I Rana nicht gefunden, müssen wir es auf später verschieben. Jetzt geht es zum Polarkreis, hoffentlich wird die Straße E6 frei. Das ist auch der Fall.
Die Frühlingslandschaftsbilder werden langsam, aber sicher durch Winterlandschaftsbilder ersetzt. Alles sieht so aus, als ob der Frühling hier gar nicht angekommen ist. Die Birken stehen noch nackt, kein grünes Blatt will aus den Baumknospen. Brrr…
Noch viel zu eisig sind die Nachttemperaturen, können bis - 10 Grad runterfallen. Sehr weise sind die Bäume, wissen, dass es noch zu früh ist. Sind sehr geduldig, bloß nicht übermütig werden.

Unterwegs noch ein paar Stiche sind drin…
Und dann kommen wir in eine von Schneekönigin beherrschte Welt an. Wir haben den Polarkreis (auf norwegisch Polarcirkel) erreicht. Es ist nicht viel los auf dem Parkplatz, das freut uns. Man kann alles in Ruhe anschauen und Fotos machen. Viele Fotos. Der Eindruck ist überwältigend. Ich bin wieder wie ein Kind, das zum ersten Mal den Schnee sieht. Schilka freut sich auch… raus in den Schnee. Bilder können mehr erzählen als Worte. Hier sind ein paar…
Am Polarkreis steht auch ein Denkmal mit Stern zur Erinnerung an die jugoslawischen Kriegsgefangenen. Darüber ist Folgendes nachzulesen: „Auf dem Saltfjell, wo die Straße E6 den Polarkreis kreuzt, befindet sich ein Denkmal zu Ehren jugoslawischer Kriegsgefangener. Sie wurden von den Nazis zum Straßen- und Eisenbahnbau unter unmenschlichen Bedingungen gezwungen.
In der näheren Umgebung im Saltdal gab es 18 Lager für Gefangene aus verschiedensten Ländern. Insgesamt sind hier in der Nähe 1627 jugoslawische Kriegsgefangene begraben. Entlang der E6 findet man Gedenkstätten, die an diese Verbrechen erinnern. Die NorwegerInnen sagen: “Unter jedem Meter dieser Straße liege eine Leiche.”
Der 2. Weltkrieg ist und bleibt präsent. Wie sind an vielen Orten vorbei gefahren, wo die Hinweisschildern darauf hingewiesen haben, dass dort die Kriegsgefangenen in Lagern untergebracht wurden. Torsten wollte nicht anhalten, zu schmerzhaft ist es, solche Gedenkstätte zu besichtigen.

„Aufgestellt von ihren überlebenden Kameraden aus dem Lager der Polarkreis mit Unterstützung von Freunden aus Mo i Rana
(Befreiung der Gefangenen) am 24. Juni 1945.
Es gibt noch ein Denkmal an diesem Ort zur Erinnerung an die sowjetischen Gefangenen, leider war es anscheinend unter dem Schnee. Im Internet fand ich ein Foto und die Info dazu:
„Die sowjetischen Kriegsgefangenen wurden von den preußischen Ostseehäfen nach Norwegen, in erster Linie nach Nordnorwegen verfrachtet. Bis 1945 wurden insgesamt 90.000 sowjetische Kriegsgefangene in die von der SS und Quislings „Hird“ bewachten norwegischen Arbeitslager deportiert. Die in 249 größeren und kleineren Lagern wie Sklaven gehaltenen Gefangenen lebten und arbeiteten unter extrem, menschen-unwürdigen Bedingungen, und die einschlägigen Bestimmungen der Genfer Konvention und der Haager Landkriegsordnung wurden deutscherseits vollkommen mißachtet. Viele dieser Menschen kamen durch Hunger, Seuchen oder die harten Arbeitsbedingungen ums Leben. Nicht wenige wurden durch die deutschen Wachmannschaften ermordet. 74.000 Sowjetbürger überlebten die unmenschliche Kriegsgefangenschaft der Deutschen in Norwegen.“

Dieses Denkmal erinnert an die sowjetischen Kriegsgefangenen von 1942 – 1945. „IM GEDENKEN an die sowjetische
Kriegsgefangene, die bei der harten Arbeit beim Bau von Nordlander Autobahn gestorben sind in 1942-1945.

So viele Toten, die Norweger haben Recht, wenn sie es sagen: “Unter jedem Meter dieser Straße liege eine Leiche.”
Wir würden gerne hier bleiben, man kann hier übernachten. Aber Torsten befürchtet, dass die Temperaturen nachts stark fallen und, wenn es dazu noch schneit, dann kommen wir gar nicht hier weg. Wir fahren auf der Straße, die den sowjetischen und jugoslawischen Kriegsgefangenen ihr Leben gekostet hat. Jetzt haben wir ganz anderes Gefühl für unsere weitere Fahrt.
Vom Polarkreis starten wir in die Richtung Fauske. Das ist eine Hafenstadt mit geeignetem Stellplatz für Wohnmobile, der liegt direkt am Wasser.


Es ist sehr schöner Platz, wo wir stehen. Wir können viele Vögel beobachten. Daneben ist ein Freilichtmuseum und die Skulpturen aus Stein und Holz. Ich nehme sofort den Hund und gehe auszukundschaften, filme die Vögel, die Gegend und bin begeistert davon. Sehe wieder ein Denkmal und versuche herauszufinden, wer Haakon Utheim war.

Alte Häuser können auch gesammelt werden… Info? Lies weiter

Alt und älter
Das Denkmal alles aufklärt: Ein Denkmal dem HAAKON UTHEIM 1905 - 1985, Seine Sammlung von Gebäuden und Objekten wurde 1973 dem Fauske Museum gewidmet. Diese Sammlung seiner Begeisterung und seines großen Interesses an der lokalen Geschichte bilden die Grundlage des Fauske Museums.
AUS DANKBARKEIT FÜR DIE GRÜNDUNG DES FAUSKE-MUSEUMS.

Ein Denkmal einem begeisterten Sammler von alten Häuser, dem HAAKON UTHEIM.
Hobbys sind halt Hobbys. Wir freuen uns, dass dadurch die Geschichte für die Nachkommenwelt aufbewahrt bleibt. Doch dann sehen wir ein anderes Denkmal mit Informationen dazu. Ich kann nicht so ganz gut verstehen, aber eins ist sicher: es geht um Abbau von Marmorstein in Fauske. Auf der Tafeln wird genau beschrieben, wie schwer und gefährlich es war.

Ein Loch im Marmorstein- warum?
Der Stein stammt aus dem Marmorsteinbruch Norwegian Rose AS in Lavgavlen, Fauske.
Auf der Infotafel aus rosa Marmorstein ist Folgendes zu lesen: „Das Loch im Stein wurde von Hand ausgehöhlt und als das Loch etwa 7 Meter tief war, wurden Sägesäulen mit Rädern zur Sägeliniensteuerung eingebaut. Mit der Säge wurden große Marmorblöcke gesägt. Der Steinmetz saß in dem Loch, das einen Durchmesser von etwa 120 cm hatte. Er verbrachte sechs Tage damit, um einen Meter tief zu graben.
Der Sägeblatt schnitt an den Rändern entlang, während die Mitte mit Schießpulver weggesprengt wurde, als das Loch tiefer wurde. Es war eine einsame und sitzende Tätigkeit, die am besten für kleine Männer geeignet war.
Diese Methode wurde vor etwa hundert Jahren angewendet. Der berühmte rosafarbene Marmortyp
„Norwegische Rose“ aus dem Steinbruch in Lovgavlen wird in die ganze Welt exportiert und in vielen monumentalen Gebäuden verwendet.
Der Marmor in Fauske war bereits bekannt 17. Jahrhundert, aber erst 1884 begann die Firma Den Ankerske Marmorforretning mit dem Marmorgeschäft. Der Steinbruch wird derzeit von der Firma Norwegische Rose AS betrieben.“

6 Tage im Loch zu arbeiten, alleine…
Nach so viel Erlebnissen von heute sind wir überwältigt und müde. Nach dem Essen will Torsten nur noch schlafen, Schilka macht ihm nach. Nur ich wieder sitze und schreibe, ich möchte gerne noch sticken und freue mich darauf. Das ist meine Art der Entspannung. Draußen spielen ein paar Jugendlicher mit Frisbee Scheibe. Es ist zwar schon nach 20 Uhr, aber noch hell wie am Tag. Deshalb nutze ich diese Sommerzeit des Norwegens zum Nachtsticken.
Morgen Nachmittag geht es mit der Fähre zu Lofoten. Ich bin so aufgeregt, dass ich das Gefühl habe, heute nicht einschlafen zu können.
Das war der 15. Mai 2025, Fauske
PS: Mir ist erst jetzt aufgefallen, dass ich heute 62 geworden bin. Juhuu … mit 62 habe ich den Polarkreis entdeckt. Besser geht’s nicht.

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