Kapitel 38, den 03.06.2025, das Pomor-Museum in Vardø

Haakon VII. vor der Festung in Vardø


Haakon VII. war von 1905 bis zu seinem Tod König von Norwegen. Durch seinen taktvollen und diskreten Lebensstil wirkte der Monarch als verbindendes Symbol der nationalen Einheit und Haakon erhielt den Beinamen „Folkekongen“ (Volkskönig). Im 1. Weltkrieg bleibt Norwegen neutral. Mit seiner Handelsflotte pflegt das Land jedoch engere Beziehungen zu den Mächten der Entente. Auch im 2. Weltkrieg  wahrt das Land seine Neutralität, wird jedoch im April 1940 von Deutschland angegriffen und besetzt. König Haakon stellt sich an die Spitze des Widerstands und flieht nach der Kapitulation mit seiner Familie und der norwegischen Regierung ins englische Exil.

Nach Kriegsende kehrt König Haakon am 7. Juni 1945 nach Norwegen zurück. Er regiert bis zu seinem Tod am 21. September 1957, sein Sohn Olav folgt ihm als Olav V. auf den Thron.


Vardø ist Norwegens östlichste Stadt, und liegt in der arktischen Klimazone. Die Insel beherbergt verschiedene Festivals und Kunstwerke. Die Halbinsel Varanger gilt als das weltweit beste Reiseziel für arktische Vogelbeobachtungen. Allein in Vardø sind über 200 Vogelarten registriert, und hier befindet sich die spektakuläre Vogelklippe Horneya, die Heimat von 100.000 Seevögeln. Wale, Robben, Otter und Rentiere sind nur einige der vielen Arten, die am Rande der Welt unter der Mitternachtssonne und dem Winterlicht leben.

 

Schon bevor wir gefrühstückt haben, entscheiden wir uns hier noch zu bleiben, um die Vogelinsel Hornøya zu besuchen. Torsten bucht einen Termin für Morgen. Darauf freue ich mich sehr. Diese Insel nicht im TV anzuschauen, sondern selbst zu erleben. Wir fahren mit einem Gummiboot, es gibt keine Alternative. Warum auch nicht? Die andere haben die Walsafari damit gemacht. Also, Vogelsafari wird schon weniger gefährlich oder? Wenn es das Wetter gut mit uns meint, dann wird es um so besser. Aber das sehen wir morgen.

Direkt am Hafen - wer? Fridtjof Nansen, der von Vardø seine 1. Reise am 21. Juli 1893 gestartet hat und die 3 Jahre bis zu seiner Rückkehr am 13. August 1896 gedauert hat. Mir fällt ein, dass ich die Berichte aus dem Polarmuseum über diese Expedition noch nachlesen wollte. Leider habe ich immer noch keine Zeit dafür gefunden. Wahrscheinlich werde ich es erst zuhause nachholen können.


Wir habe heute Zeit ein wenig langsamer zu machen. Beim Spaziergang mit dem Hund, habe ich die Festung direkt neben an entdeckt. Zwar bin ich nicht so daran interessiert , aber von außen sieht sie gut erhalten aus und es scheint sich zu lohnen  sie zu besuchen. Der Hund darf ja bestimmt nicht rein, dann machen wir es halt später. Und ich möchte unbedingt das  Pomorenmuseum besuchen. Vielleicht noch am Wasser die Vögel beobachten. Mal sehen…

Ein Kinderspielplatz mal anders, kein Häuschen oder ein Zug wie in Europa, sonder ein Walross aus Holz, wo die Kinder sich verstecken oder darauf klettern können. Im Hintergrund das Gebäude des Hotels „ Vardø“.


Heute Nacht prasselte der Regen so stark, dass ich nicht einschlafen konnte. Das Geräusch vom Regen hörte sich wie ein rauschendes Papier an. Als ob jemand direkt an deinem Ohr die ganze Zeit mit Papier rascheln würde - unerträglich. Habe von meinem Handy die Inear in die Ohren gesteckt, um ein wenig Ruhe zu finden und dann ging es. Auch heute nieselt es ab und zu. Das Frühstück ist beendet und man möchte nicht mehr raus gehen. Aber Torsten besteht darauf, denn ich wollte ja zum Museum der Pomoren. Wir gehen ins Museum und treffen Ljuba, eine Ukrainerin, die vor 3 Jahren nach Norwegen geflohen ist. Wir plaudern und erzählen einander unsere Geschichten und hoffen beide, dass es endlich einen Frieden geben wird. Aber wir wollen auch mehr über die Pomoren  erfahren und gehen durch Museum. Es gibt Übersetzungen auch in Deutsch und Russisch. Denn es ist ja die Geschichte der russischen Fischer und Händler.

Das Pomormuseum von Aussen


Pomors sind Menschen, die sowohl in Norwegen als auch in Russland am Meer lebten. Pomors interagierten schon so lange, wie es Boote gab , die weit genug schwimmen konnten. Die Geschichte der Pomores ist die Geschichte, wie sich die Menschen im Norden gegenseitig über Grenzen hinweg halfen, um unter den rauen arktischen Bedingungen zu überleben.

Im Pomor-Museum erfährt man über die Pomores; die alte norwegisch-russische Fischereikooperation; die Geschichte der norwegischen Auswanderer auf der Fisker-Halbinsel; der Pomor-Handel und vieles mehr.

Lachsfischen - ein Erwerb zu dem jeder seinen Beitrag leistete

 

Lachsfischen wurde überall längs der Weißmeerküsten betrieben und daran waren Frauen wie Männer beteiligt. Jede Region entwickelte eigene Traditionen und Fischertechniken.

Im allgemeinen war es die Dorfgemeinde, welche bestimmte auf welchen Gründen die verschiedenen Familien fischen dürften. Die Verteilung fand nach Anzahl der Männer in der Familie statt, so daß den großen Familien die besten Fischgründe zugesprochen wurden. Lachs war eine begehrte Ware und wurde hauptsächlich für den Weiterverkauf gefischt. Lachs von der Terskküste war besonders für seine Qualität bekannt und deshalb war Lachsfischen in dieser Gegend die wichtigste Einnahmequelle.

 

Sildefisch - wichtigste Einnahmequelle der Pomoren

Sild wurde zu einer der bedeutensten Einnahmequellen der Pomoren und wurde überall entlang der Weißmeerküste mit Netzen gefischt. Der Sild wurde gesalzen, in Tonnen gepackt und auf den großen Fischmarkt in Arkhangelsk verkauft. Die Sorotskaja-Bucht war in ganz Pomorien für ihre großen Sildvorkommen bekannt und hierher kamen Leute aus der gesamten Region zum Fischen. Wenn es im Jahr einmal wenig Sild gab, segelten die Pomoren bis nach Norwegen um ihre Lager aufzufüllen.

 

Die Robbenjagd ging von Februar bis Mai, und war wichtig für die Wirtschaft in weiten Teilen Pomoriens. Der Speck wurde an Aufkäufer verkauft, die ihn schmolzen und auf den Markt nach Arkhangelsk sandten.

 

TORSCHFISCHEREI

Saisonfischen weit von zu hause

Viele Pomoren legten weite Wege zurück um zu ihren Fischgründen zu gelangen. In offenen, kleinen Booten segelte man bis an in Gegend von Murmansk oder bis nach Finnmark um, Barsch, Schellfisch und Heilbutt zu fangen. Die Küste von Murmansk war so gut wie unbewohnt und die Pomoren schufen ihre eigenen Fischersiedlungen.

So baute man kleine Hütten aus den Materialien die man vor Ort fand. M.Gavrilovo wurde zur größten Fischsiedlung. Von hier aus fuhren zu Beginn des 20ten Jahrhunderts mehr als 500 Boote zum Fischfang.

 

Auftragsfischen

Es wurde mit Leinen gefischt und auf jedem Boot waren 3-4 Personen, die jüngsten unter ihnen waren nicht älter als 10. Sie waren für Essen und das Auslegen der Leinen zuständig. Der Fisch wurde gepökelt und in Tonnen eingelegt und auf großen Handelsschiffen zurück zur Weißmeerküste gesandt. Die meisten der Fischer im hohen Norden waren Auftragsfischer. Ausrüstung und Nahrung wurden von den Auftragsgebern gestellt und die Fischer bekamen einen Teil des Fangs als Lohn.

 

Navaga - heimischer Winterfisch

Im Winter fischten die Pomoren im Eis den Navagafisch. Navaga war eine Dorschart, die sich gerne in kleinen Buchten und an Flussmündungen aufhielten. An dieser Art des Leineangelns waren Frauen und Männer gleichermaßen beteiligt. Es wurden Löcher ins Eis gebohrt und mit kleinen Angelruten geangelt. Der Navagafisch wurde gefroren und bis nach Arkhangelsk, St. Petersburg oder in andere Teile Russlands versand. Ende des 19ten Jahrhunderts verbreitete sich das Navagafischen mehr und mehr und wurde mit zur wichtigsten Einnahmequelle der Pomor-, Onega- und Winterküste.



TAUSCHWAREN
Mehl, Bretter und Fisch waren die drei wichtigsten Tauschgüter im Pomorenhandel. Aus den fruchtbaren und waldreichen Gebieten des großen Russischen Reiches wurden Getreide und Holz auf den großen Flüssen nach Norden transportiert. Holz und Getreide wurden auf den Marktplätzen in Archangelsk und Onega gehandelt, und ein Teil der Ladung landete auf Schiffen nach Norwegen. Neben Mehl und Holz brachten die Pomoren auch Waren wie Äxte, Flachs, Fleisch, Hanf, Felle und Honig mit.

In Norwegen tauschten die Pomoren diese Waren gegen frischen Fisch. Die Russen waren sehr beliebt, da sie mit Fisch handelten, der sonst schwer zu verkaufen war. Die Pomoren salzten den Fisch selbst ein und bewahrten sie in Holzfässern. Salz war auch bei den Russen sehr begehrt.


Wie man handeln sollte, muss  gelernt sein.

 

Bootsbautradition

Die Kultur und Lebensgrundlage der Pomoren war untrennbar verbunden mit Flüssen, dem Meer und dem Fischfang. Gute Boote waren somit lebensnotwendig.

Die Pomoren hatten ihre eigenen Bootsmodelle wie Lodje, Karbas, Sinjaka, aber ließen ebenso Inspiration von Nachbarvölkem wie Finnen, Norweger und Lappländern mit in den Bootsbau einfließen. So wurden ihre Bote ständig verbessert und weiterentwickelt.

Kleinboote für Kurzdistanzen wurden auf dem Haushof hergestellt. Fast alle Pomoren konnten ihr eigenes Boot bauen. Außerdem gab es in Pomorien spezielle Werkstätten auf denen große Schoner gebaut wurden. Am Ende des 19ten Jahrhunderts lebten mehr als 300 Schiffsbauer in Pomorien. Beinahe die Hälfte von ihnen lebten im Patrajevka-Distrikt langs der Winterküste.

 

Vom überlieferten Wissen zu maritimen Schulen

Die Pomoren waren ein reisefreudiges Volk. Sie begaben sich auf lange Expeditionen zu Fischfang oder zur Jagd. Ein Teil von ihnen reiste bis nach Norwegen. Daher war es ausgesprochen wichtig über gute Seefahrerkenntnisse und Navigations-kenntnisse zu verfügen. Im 18ten und dem ersten Teil des 19ten Jahrhunderts gab es noch keine Seefahrtsschule in Pomorien. Das Wissen um die Seefahrt wurde vom Vater zum Sohn weitergegeben.


Schmuggel als Beginn des Barberhandels


Als die Schiffe der Pomoren Ende des 17. Jahrhunderts in der Finnmark ankamen, war es ihnen verboten, ihre Waren hier zu verkaufen oder zu tauschen. Kaufleute aus Bergen hatten das Monopol auf den gesamten Handel. Das bedeutete, dass niemand außer ihnen in der Finnmark Handel treiben durfte.
Russen und Norweger mussten daher ihren Tauschhandel heimlich betreiben, Mehl wurde auf die russischen Schiffe geschmuggelt, und norwegische Fischer tauschten heimlich ihren Fisch gegen den russischen.

Schmuggler gegen eigenen Willen, es ging ums Überleben und wie immer „große Haie haben die kleinen verschluckt“. Nichts ändert sich in dieser Welt.


LUXUSGÜTER
Porzellan und Genussmittel aus Archangelsk


Als die Handelshäuser Mitte des 19. Jahrhunderts einen Großteil des Handels mit den Pomoren übernahmen, kamen zahlreiche neue Waren auf den Markt. Die pomorischen Kapitäne wurden von den Handelsschiffen in Archangelsk ausgerüstet und kauften und verkauften Waren für sie. Neben Mehl und Brettern brachten sie nun auch Porzellan, fein geschnitzte Holzschalen, Samoware, Fleisch, Butter und Riegel mit.
Tee, Textilien und Wein aus Europa


Größere und bessere Schiffe erleichterten den Transport von Waren aus Europa und Südnorwegen nach Finnmark. Die norwegischen Handelshäuser begannen, Waren aufzukaufen, von denen sie wussten, dass die Pomoren daran interessiert waren, wie Tee, Textilien, Rum und Wein. Die Waren wurden in den Sommermonaten an die Pomoren weiterverkauft.


Im Vardø Museum ist das Archiv  von Brodtkorb Handel  aufbewahrt. Gründer von Brodtkorb Handel war Andreas Esbensen Brodtkorb (1795–1873). Am 5. Juni 1829 erhielt er in Vardø eine Handelslizenz. 

Das Unternehmen handelte hauptsächlich mit Fisch und Lebertran, bot aber auch arktische Produkte, Kohle, Salz und Holz an und betrieb den damit verbundenen Einzelhandel. Neben dem Hauptgeschäft in Vardø unterhielt das Unternehmen Niederlassungen in Syltefjord, Persfjord und Gamvik.

 

 

DIE REVOLUTION SETZT DEN SCHLUSSSTRICH

Der Handel wurde beendet

Der Pomorhandel ging bereits vor 1917 zurück, aber die Revolution in Russland und der darauf folgende dreijährige Bürgerkrieg setzten ihm ein Ende. Vardø blieb dabei jedoch ein wichtiger Ort für Leute auf dem Weg von und nach Russland.

Russische Flüchtlinge

1920 übernahmen die Bolschewiken die Macht in Arkhangelsk. Wohlhabende Russen, die sich vor dem roten Terror fürchteten, eröffneten Kontos in Norwegens Bank in Vardø.

Olga A. Loboda von Arkhangelsk deponierte 1923 ihr gesamtes Erspartes und Fjodor S. Rjadovoj deponierte neben seinem Ersparten auch Schmuck. Ein silbernes Zigarettenetui, daß nach der Revolution deponiert wurde, zeigt die Namenszüge von den vier Töchtern von Zar Nikolaj II. Die Wertsachen wurden nie abgeholt und man weiß bis heute nicht was mit ihren Eigentümern geschehen ist.

 


Es ist noch viel über den „neuen und alten Glauben“ der Pomoren zu lesen.  Ich stelle einfach die Bilder ein und jeder kann in Deutsch bzw. Russisch etwas davon erfahren. 

Abgerundet wird das ganze mit Bilder von Kinder aus Russland. Das Museum wird von jedem unterstützt, der Interesse an der Erhaltung der Pomoren-Geschichte hat. So gibt es Souvenirs aus Russland oder Bücher in russischen Sprache und sogar aus der Birkenrinde geflochtene Dosen. Eine nehmen wir mit und gleich die Adresse des Flechters, der ein Lehrbuch geschrieben hat mit Erklärung dieser alten russischen Tradition. 

 

Willkommen bei Familie Malygin
Im Dorf Koida an der Winterküste in Kvitsjeen waren im 19. Jahrhundert große zweistöckige Bauernhöfe zu sehen. Diese Häuser wurden vom Familienoberhaupt gemeinsam mit seinen Söhnen erbaut.
Das Haus der Familie Malygin in Koida ist ein Beispiel für einen solchen Bauernhof. In diesem Haus lebte Pjotr ​​Malygin mit seinen verheirateten Söhnen. Jeder Sohn hatte ein Zimmer im Erdgeschoss und ein Zimmer im ersten Stock für seine Familie. Das Zimmer im Erdgeschoss diente als Wohnzimmer, in dem sie alle täglichen Aufgaben erledigten, während das Zimmer im zweiten Stock ein elegantes Wohnzimmer war, in dem sie Gäste empfangen konnten.

Unsere Partner im Staatlichen Museum für Holzarchitektur und Volkskunst in Archangelsk haben das Wohnzimmer eingerichtet, in dem Pjotr ​​Malygins Sohn Efim und seine Familie lebten.

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