Kapitel 46, den 12./13.06.2025, Wir bleiben in Hårsang

Wir bleiben…

 

Torsten hat mir vermittelt, dass wir noch zwei Tage hier bleiben. Das wundert mich, denn der Schmiedebesuch in Gränsfors ist damit abgeblasen. Gleichzeitig freue ich mich, denn es ist hier sehr schön, man kann den ganzen Tag Vögel beobachten und es ist zurzeit ruhig - doch leider zu früh gefreut.

 Die Möwen sind immer auf der Hut…

 

Auf dem Spaziergang mit Schilka habe ich eine Stelle gefunden mit einem Tisch und zwei Bänken, wo ich mich hingesetzt habe. Es herrschte dort „himmlische Ruhe“.

 

Es war dort auch wärmer und ich erblicke dann auf einmal wilde Erdbeeren im Gras, natürlich standen sie noch in der Blüte, aber all das erinnerte mich an das Dorf meiner Oma. An meine unbeschwerte Kindheit bei ihr im Sommer. An die wilden Erdbeeren, die hinter dem Dorf auf einem großen Hügel wuchsen. Wir sammelten sie in große Kannen und aßen so viel bis wir satt waren. Hier erinnert mich alles an diese unbeschwerte Zeit.

 

Die Wälder in Schweden sind ähnlich wie in Sibirien, dort wachsen im Wald Stein- und Moltebeeren, Blaubeeren, Himbeeren und Johannisbeeren. Mein Onkel hat uns in den Beiwagen seines Motorrades URAL gesetzt und uns dann in den Wald gefahren, wo wir all diese Beeren pflücken konnten. Herrlich… Man musste nur wissen, wo was wuchs und dorthin fahren.

Erdbeeren wuchsen in fussläufiger Entfernung. Und Champignons sammelten wir direkt neben den Kuhställen der „Milchfarm Nr.4“, wie damals die Adresse meiner Oma hieß: Krasnojarskij Kraj, Ordschonekidzewskij Rayon, Dorf Kobjakowo, Farm Nr. 4.

 

All das schwirrt in meinem Kopf herum, wie schön es dort war. Diese Stelle, an der ich saß und nachgedacht habe, will ich heute nochmal aufsuchen. Nach dem Frühstück will Torsten draußen sitzen. Ich packe meine Stickerei und das Buch, was ich gerade lese, eine Flasche Wasser und Studentenfutter und so ausgerüstet gehe ich wieder zu diesem Platz. Vielleicht gehört er zu dem Haus, das unten an der Straße liegt. Aber ich setze mich einfach dort hin, ich mache ja nichts- ich sitze nur da und sticke. Ich kann von dieser Stelle den See sehen und auch den Stellplatz. Wunderbar bis es auf einmal kracht.

Mein Platz im Wald

 

Jemand hat eine große Motorsense angemacht und der Lärm ist unerträglich. Ich sitze hier etwas oberhalb und versuche mich auf die Waldstimmen zu konzentrieren: da fliegt ein Hummel, dort flattert ein Schmetterling, das Gras und die Baumwipfeln erzählen ihre eigenen Geschichten im Wind. Auch die Singvogel schweigen nicht. Aus dem ganzen Konzert erkenne ich aber nur eine Amsel, die anderen kenne ich nicht.

Aus dem Wald kommen auch sehr merkwürdige Rufe eines Vogels, diese Rufe habe ich noch nie gehört. Wer könnte das sein? Ich nehme an, es sind die Rufe der Kraniche. So gelingt es mir, den Lärm der Sense ein bisschen „runterzudrehen“.

 Die Rauchschwalbchen sind hier viele - dieses hat es uns erlaubt, ein Foto von sich  zu machen.

 

Ich habe mir vorgenommen heute die Arbeit fertig zu sticken. Deswegen bleibe ich lange weg. Es ist schon weit nach Mittag, ich habe aber Studentenfutter und kann durchhalten. Plötzlich klingelt das Handy - Torsten will wissen, ob bei mir alles okay ist und wo ich bin. Ich verspreche ihm jetzt zurück zu gehen, zum Mittagessen. Das Essen ist ja noch von Gestern da, man muss es nur aufwärmen.

 

Der Sensenmann kommt plötzlich vor unseren Wagen und die Blumenköpfe fallen ab. Was macht er nur? Ich bin entsetzt. Die wunderschöne Lupinen, die gerade ihre Blütenköpfchen gebildet haben und einige sogar in Blüte stehen, sind ihm zum Opfer gefallen. Ich bin richtig sauer, obwohl es sich nicht um meine Blumen und nicht um einen Garten handelt. Denn gerade Lupinen machen diesen Platz so schön. Mir kommt das russische Sprichwort in den Sinn: „Заставь дурака Богу молиться, он и лоб расшибет.» Übersetzt heißt es: „„Lass einen Narren zu Gott beten, und er wird sich auch die Stirn einschlagen.“ Dieses Sprichwort bedeutet, dass man „durch gedankenlose und übermäßige Anstrengung Schaden anrichten“ kann. Es ist für mich eindeutiger Schaden.

 

Nach dem Mittagszeit kommt auf einmal die Müdigkeit, weil ich sehr spät ins Bett gehe und momentan sehr früh aufstehe. Gegen 14 Uhr hört der „Sensenmann“, wahrscheinlich ein Rentner, der Christine hilft, dann auf zu sensen. Ich kann einschlafen.

 

Entspannung pur 

 

Als ich wach werde, gehe ich nicht mehr weg, bleibe auf unserem Campingstuhl sitzen um meine Arbeit weiter zu machen. Es kommt die  abendliche Frische vom See rüber. Torsten holt den Gasgrill raus: abends gibt es Grillwürste Klassik vom Kaufland in Deutschland, die uns den ganzen Weg begleitet haben. Jetzt werden die endlich „verputzt“.


Schilka bekommt auch ihren Anteil, fein geschnitten und abgekühlt. Alle sind zufrieden. Die abendliche Frische wird jetzt zur Kälte, die Sonne hat sich unter der dicken Wolkendecke versteckt und das ist spürbar. Die Wasservögel haben sich versteckt oder suchen die Ferne wegen der Camper mit den großen Hunden und ein paar Kindern, die mit ihren Eltern aus Zürich gekommen sind. Schade…

 

Die Schwäne sind nicht mehr zu sehen bis es nachts ruhiger wird. Dann sind sie wieder da, nur weiter weg am anderem Ufer, wo es wahrscheinlich ruhiger ist. Der Tag hat Ade gesagt. Ich freue mich, dass wir morgen noch hier bleiben. Aber Torsten sagt, dass es morgen regnen wird. Was soll’s - es gibt kein schlechtes Wetter, nur nicht dem Wetter entsprechend passende Bekleidung. 

Am nächsten Tag verlassen einige den Campingplatz, Ruhe kehrt wieder ein, den ganzen Tag verbringen wir am See, beobachten die Haubentaucher, Schwäne, Möwen und Küstenseeschwalbe. Das Wetter bleibt schön, es regnet nicht. Keiner von uns hat die Muße, etwas zu kochen. Ich esse 5- Minuten Terrine, Torsten abends macht sich die Mühe und macht Kartoffelrösti. Er macht so viele, dass wir auch am nächsten Tag davon satt werden. Den Apfelmus hat er vorsorglich schon an Tagen davor gekauft. Es schmeckt uns beiden.

 

Morgen geht es los. Christine will unsere Kontaktdaten. Wir haben auch ihre bekommen und von dem Gretchen und  Wilhelm aus Holland, das Ehepaar, mit dem wir zusammen beim ersten Abend einen Absacker getrunken haben. Sie luden uns zu sich ein. Sie wohnen nicht weit weg von Emden und haben viel Platz. Vielleicht sehen wir uns wieder!

 

Den 12./13.06.2024, Hårsong, Schweden

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